Theorie

Systemische Theorie und Praxis
Für dieses Foto habe ich eine bunte Auswahl systemischer Literatur zusammengewürfelt.
Die Quellen systemischer Theorie und Praxis sind unglaublich vielfältig, reichhaltig und inzwischen fast unübersichtlich. Zugleich aber auch spannend und faszinierend!


Die folgenden Kapitel sind der Versuch, Ihnen
in aller Kürze einen ersten Überlick zu geben.
  • Systemisches Denken

    Systemisches Denken

    ist weniger eine in sich abgeschlossene Theorie, als viel mehr ein Programm wissenschaftlichen Arbeitens, ein Paradigma (παράδειγμα parádeigma), d.h. ein "Erklärungsmodell" oder eine "Weltanschauung".

    Systemisches Denken steht auf den Schultern vieler Riesen und nutzt die Ergebnisse der vielfältigen systemwissenschaftlichen Forschung, die seit einigen Jahrzehnten in ganz verschiedenen Wissensgebieten erbracht werden:

    der Allgemeinen Systemtheorie und Synergetik, der Theorie der Selbstreferentialität, der Selbstorganisations- und Chaostheorie, der Autopoiesetheorie und Kybernetik (2. Ordnung), dem Konstruktivismus und sozialen Konstruktionismus, den Theorien dynamischer Systeme und natürlich der Kommunikationstheorie.


    Es geht  konvergenztheoretisch um eine Präferenz oder Haltung, die den Menschen als "Beobachter" zum Ausgangspunkt allen Wissens macht und bemüht ist, komplexe Prozesse angemessen, ohne unzulässige Vereinfachungen zu erfassen.

    Bei allem, was dabei gesagt oder geschrieben wird, versucht systemisches Denken zu berücksichtigen, dass es sich immer um eine beobachterabhängige Art und Weise handelt, die Welt wahrzunehmen, zu werten, zu interpretieren und zu erklären. 

    Den Menschen als Beobachter zu verstehen beudeutet aus systemischer Sicht, ihn als autonom und prinzipiell unverfügbar zu betrachten. Menschen bleiben füreinander in sozialen Interaktionen grundsätzlich undurchschaubar. Zugleich können sie aber in rekursiven Prozessen von Kommunikation gemeinsame Wirklichkeiten erzeugen. 

    Heinz von Förster bringt das auf die Formel: Wirklichkeit = Gemeinschaft

  • Systemtheoretische Ansätze

    Systemtheoretische Ansätze

    kommen zunehmend auch in Medizin, Psychologie, Psychotherapie und Soziologie zur Anwendung und dienen dort als Grundlage für die Ausarbeitung einer neuartigen Praxis.

    Der Mensch wird dabei als soziales Wesen gesehen, das nur aus seiner Eingebundenheit in soziale Prozesse verstanden werden kann. Gleichzeitig sind Menschen aus systemischer Sicht autonome, selbstorganisierende Wesen, die von einer individuellen und im Prinzip undurchschaubaren Eigendynamik geprägt und eben nicht durch eine "Behandlung" zielgerichtet instruierbar sind.

    Das der Behandlungsidee zugrundeliegende Konzept der linearen Kausalität wird aufgegeben. An seine Stelle treten Konzepte wie z.B. 'hilfreiche Verstörung', 'Selbstorganisation', 'rekursive Vernetzung', 'Multifaktorialität' und 'Nicht-Linearität'.

    Die menschlichen Probleme, zu deren Lösung eine Hilfestellung benötigt wird, stellen aus systemischer Sicht soziale Phänomene dar, die nur im Kontext menschlichen Zusammenlebens zu erklären und zu beeinflussen sind.

  • Das Systemische Prinzip

    Von Dr. Kurt Ludewig durfte ich in meiner eigenen Ausbildung viel lernen. Das "Systemische Prinzip" gehört dazu:

    • Menschen werden zu Menschen nur unter Menschen.
    • Als autopoietisch organisierte Lebewesen sind Menschen komplexe, 
undurchschaubare und unbestimmbare Wesen
    • Daher sind sie andauernd bemüht, ihre biologische Individualität 
 durch Konsensualisierung zu überwinden.
    • Konsensualisierung geschieht in affektiver und sprachlicher Abstimmung, 
 d.h. im “Konversieren” (strukturelle Kopplung)
    • Dafür benötigen sie existentiell andere, denen Gleichartigkeit zugeschrieben wird ➜  Notwendigkeit des “DU”
    • ICH kann nur ICH werden und sein im Hinblick auf einen DU.
    • Erst im WIR (Soziales System) kann Menschsein entstehen.
    • WIR hebt die biologisch-individuelle und die sozial-kommunikative Identität 
 des Menschen in sich auf  ➜ das systemische Prinzip
  • Systemische Praxis

    Systemische Praxis

    in Therapie, Beratung, Supervision und Coaching entwickelt Wege der Hilfestellung, die es den Rat- und Hilfesuchenden erleichtern, nützliche Alternativen zu Problemen im Sinne eigener Wünsche und Möglichkeiten zu erarbeiten. Menschen verfügen in der Regel über die Potentiale, Ressourcen oder Fähigkeiten, die sie benötigen, um ihre Probleme zu bewältigen.

    Systemische Praxis setzt sich daher das Ziel, den Hilfesuchenden unter Berücksichtigung ihrer besonderen Situation auf möglichst einfache Weise zu helfen, die eigenen Stärken und Ressourcen neu zu entdecken und zu aktivieren.

    Systemisch orientierte Hilfestellung bedeutet:


            Hilfe zur Selbsthilfe!

  • Was ist denn nun "systemisch"?

    Was ist denn nun "systemisch"? Gibt es eine Definition?


    Um die Frage beantworten zu können, was denn "systemisch" sei und ob überall dort, wo "systemisch" drauf steht, auch "systemisch" drin ist, muss man wissen, was denn eigentlich "systemisch" ist.

    Eine Definition - gibt es die?

    Ich finde es empfehlenswert, einer Anregung zu folgen, der ich bei Matthias Varga von Kibéd begegnet bin:

         "Systemisch" ist nicht systemisch! 

         "Systemischer" ist systemischer.


    Er schlägt eine "Komparativische Fassung" des Begriffs "Systemisch" vor:

    'Systemisch' ist demnach nicht per se die Eigenschaft eines Ansatzes. Ein Ansatz wird vielmehr immer wieder neu im Vergleich zu anderen Ansätzen betrachtet, um dann zu entscheiden in welcher Hinsicht er 'systemischer' ist. 

    (Download des Artikels)


    Diese Heuristik, immer das zu wählen und zu tun, was 'systemischer' ist, scheint mir ein gutes Prozesskriterium zu sein. Die Kriterien bzw. "basics", wann ein Ansatz oder ein Vorgehen systemischer ist als andere, das würde dann in einem fortlaufenden Dialogprozess verhandelt werden.

    Jürgen Hargens nennt als Kriterien z.B. "Kontextsensibilität" und "Selbst-Rückbezüglichkeit".

    Matthias Varga von Kibéd selbst findet es u.a. systemischer,

    - wenn man eher von Einzeleigenschaften absieht, zugunsten von Interaktionen im Gesamtsystem,

    - wenn man vom Ursache-Wirkungs-Denken stärker abrückt, zugunsten der Betrachtung von Kontexten,

    - wenn von der Analyse von Systemteilen Abstand genommen wird zugunsten der Analyse von

      Beziehungsstrukturen zwischen den Teilen des Systems oder

    - wenn man sich mehr auf Beschreibungen stützt, als auf Erklärungen.


    Die Idee, die ich mit einem solchen 'Definitionsversuch' verbinde ist, dass "Systemische Identität" nichts Festgeschriebenes im Sinne eines "semper idem" ist (das mag vielleicht für das Produkt der 'Semper Idem AG Underberg' gelten), sondern in Treue zu den Ursprungsideen fluide, kreativ, diskursoffen und resonant in den verschiedenen Kontexten gesucht und gefunden wird.


    Externer Link zu :

    Systemische Gesellschaft (SG) - Was ist systemisch? (u.a. Videos)

Erstinformationen der  beiden großen systemischen Dachverbände Deutschlands
zum Kennenlernen Systemischer Theorie und Praxis finden Sie auf deren Websites
und unter den folgenden Links zum Download:
Was heißt systemisch?

 Download
einer Zusammenschau der Texte

Jede Woche stellt der Carl-Auer-Verlag im 'Lexikon des Systemischen Arbeitens'
einen neuen Grundbegriff der systemischen Praxis, Methodik und Theorie vor.


"Dieses Lexikon, hrsg. von Jan V. Wirth & Heiko Kleve, ist das Ergebnis einer mehrjährigen Zusammenarbeit der renommiertesten systemischen Praktiker, Forscher und Lehrenden im deutschsprachigen Raum.

Es soll als hoch informatives Nachschlagewerk die alltägliche systemische Beratungs-, Therapie-,

Supervisions- und Erziehungspraxis sowie die Organisationsentwicklung unterstützen."

Inzwischen ist ein recht umfangreiches Lexikon entstanden,

das Sie über den folgenden Link erreichen:

 Wer sich umfassend mit Systemischer Therapie und Beratung beschäftigen will,
dem empfehle ich die beiden folgenden Lehrbücher.
Die Inhaltverzeichnisse können über die Buchlinks heruntergeladen werden.

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